Er nennt sich selbst mit einem Augenzwinkern den „Helmut Kohl der Belletristik“: Bestsellerautor Peter Prange. Er spielt damit auf sein Grundthema an – Deutschland im 20. Jahrhundert, eingebettet in tausend Jahre europäischer Geschichte. In seinen Romanen erzählt er von fiktiven persönlichen Schicksalen vor dem Hintergrund deutscher Zeitgeschichte. Seine Bücher verkaufen sich millionenfach und sind Vorlage für mehrere Fernsehserien.
Heute blickt Peter Prange auf über 20 erfolgreiche Romane und Sachbücher zurück. Doch wie bei den meisten Schriftstellerkarrieren verlief auch bei ihm nicht alles reibungslos. „Meine Autorengeburt war eine Zangengeburt“, erinnert er sich. Peter Prange war als freier Übersetzer und Unternehmensberater tätig als er schließlich am 19. August 1989 um 21:45 Uhr Schriftsteller werden wollte. Er schaute das Heute-Journal an und sah wie DDR-Bürger an der ungarisch-österreichischen Grenze in die Freiheit flüchteten. In diesem Moment wusste er: Darüber wird er eine Geschichte schreiben. Ein 30-seitiges Exposé entstand, das über Umwege beim ZDF landete. Die Programmverantwortlichen wollten aus dem Stoff eine Serie produzieren. Doch das Vorhaben des ZDF entsprach nicht dem, was sich der Autor vorgestellt hatte. Peter Prange sagte dem ZDF nach einigem Hin und Her ab - und zwar im Vertrauen darauf, dass er sicherlich weitere Interessenten für seinen Stoff finden würde. Doch kein anderer Fernsehsender oder Verlag war 1991 noch an seiner Geschichte interessiert. Heute erklärt sich Peter Prange das Desinteresse mit den politischen Herausforderungen an der Baustelle der Deutschen Einheit: „In der Zwischenzeit war aus der Begeisterung für die Wiedervereinigung eine Einheitsverdrossenheit geworden. Meine Idee passte nicht mehr in die Zeit.“ Die Geschichte ließ ihn trotzdem nicht mehr los. Im Vorfeld des Jubiläums zum Mauerfall hoffte er 1999 auf seine nächste Chance. Und tatsächlich: Mehrere Verlage bekundeten ihr Interesse. Der Zeitgeschichte-Roman Das Bernstein-Amulett erschien 1999 im Scherz Verlag. Er erzählt die Geschichte der Protagonistin Barbara, deren Familie nach dem Zweiten Weltkrieg auseinandergerissen wird und erst nach dem Mauerfall wieder zueinander findet. Das Buch wurde zum Kassenschlager. Rasch war die erste kleine Auflage ausverkauft. Der Verlag druckte nach: Über eine Million Exemplare gingen bis heute über den Ladentisch. Es folgte ein zweiteiliger Fernsehfilm für die ARD. Nach zehn Jahren war er also endlich geboren: ein Roman über die Wiedervereinigung und ein Schriftsteller, der sich künftig in vielen weiteren Romanen der deutschen Geschichte widmete.
„Menschen sind in prekären Zeiten leicht verführbar“
Peter Pranges neuster Roman Der Traumpalast spielt in den 1920-er Jahren. In diesem Herbst erscheint der zweite und letzte Band. Das zweiteilige Werk erzählt nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch die Entstehung der deutschen Filmfabrik, dem Ufa-Traumpalast. Es ist damit auch die Geschichte einer neuen Kunstform, die ihren Ausdruck als deutsche Antwort auf Hollywood suchte. Doch nachdem künstlerische Projekte wie Metropolis (1927) beim Publikum floppten, ging die Firma pleite und wurde nach und nach zur Propaganda-Maschine der Nationalsozialisten. „Nach einer Phase beispielloser Kreativität, in der die Ufa buchstäblich Filmgeschichte schrieb, stellten sich die Filmproduzenten schließlich in den Dienst der Nationalsozialisten“, erläutert Peter Prange. Insgesamt seien die 1920-er Jahre eine Art „Versuchslaboratorium des 20. Jahrhunderts“ gewesen, in denen die Konzepte „vom kollektiven Freiheitsrausch bis zur kollektiven Selbstentmündigung“ reichten und in das wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte mündeten. Ob man aus Geschichte lernen kann? Peter Prange ist davon überzeugt, man könne zwar nicht unmittelbar daraus lernen, wohl aber Wirkungsmechanismen erklären. Zum Beispiel lehre die Geschichte, dass Menschen sowohl das Streben nach Freiheit als auch das Bedürfnis nach Sicherheit inhärent sei. Sei die Sicherheit gefährdet, seien Menschen bereit, auf ihre Freiheitsrechte zu verzichten. „Das kann gefährlich sein, denn Menschen sind in prekären Zeiten leicht verführbar“, so die Sorge des Autors.
Literaturverständnis und Werte
Auch wenn man durch historische Romane nicht unmittelbar lernen kann, so zeigen sie, wie Politik ins Private hineinwirkt. Sie ermöglichen einen Perspektivwechsel. Peter Prange möchte sich nicht an einer simplen moralische Beurteilung seiner historischen Figuren abarbeiten. „Ich versuche aus dem Dunkel des gelebten Augenblicks heraus die damalige Welt zu beschreiben, nicht aus der Besserwisser-Perspektive von heute.“ Dass er keine Moralkeule in seinen Büchern schwingt, ist keinesfalls mit einem Nihilismus des Autors zu verbinden. Im Gegenteil: Peter Prange hat sich intensiv mit Werten auseinandergesetzt. 2006 publizierte er zusammen mit Frank Baasner und Johannes Thiele das Sachbuch Werte. Von Plato bis Pop - alles was uns verbindet. Das Buch wurde 2016 neu im S. Fischer Verlag aufgelegt. Es ist eine kommentierte Anthologie von Zeugnissen der europäischen Geistesgeschichte. Gegensätzliche Begriffspaare wie Wissen und Phantasie, Natur und Kultur oder Glaube und Vernunft ziehen das Spannungsfeld, in dem sich der europäische Wertekosmos bewegt. Für Peter Prange gibt es einen gemeinsamen Nenner aller europäischen Werte, der auch strukturgebend für das Buch war: Es ist die Dialektik der Werte. Damit verbunden sei auch eine Skepsis der Europäer gegenüber allen Werten. Am deutlichsten zeige sich diese Skepsis am gebremsten Fortschrittsglaube. Der Europäer hat immer auch Bedenken. Angesprochen auf die heutigen Wertehaltung der Europäer erläutert Peter Prange: „In einer immer komplexer werdenden Welt wird es nicht gerade leichter, eine eindeutige moralische Haltung zu haben. Und wir müssen uns zunehmend fragen: Was sind uns unsere Werte eigentlich wert und was sind wir bereit dafür zu tun?“